Definition:

→ I: Bei der Aortenisthmusstenose handelt es sich um eine Verengung der Aorta am Übergang des Arcus aortae in die Aorta descendens zumeist zwischen der A. subclavia sinistra und der Inseration des Ductus arteriosus Botalli (= im Bereich der physiologischen Engstelle, dem Aortenisthmus).

→ II: Pathogenetisch wird die Stenose durch versprengtes Ductusgewebe verursacht, das sich zangenförmig um die Aorta legt und postnatal aufgrund von Schrumpfungsprozessen die Lumeneinengung hervorruft.

 

Epidemiologie:

→ I: Die Aortenisthmusstenose macht 8% aller kongenitalen Herzfehler aus und verursacht ca. 0,5% der arteriellen Hypertonien.

II: Männer sind doppelt so häufig wie Frauen betroffen.

 

Klassifikation: Heute unterteilt man die Aortenisthmusstenose nach dem Zeitpunkt der Manifestation in eine:

→ I: Infantile Form: (= präduktale Form) Sie stellt mit 25% der Fälle die seltenere Form dar und ist gekennzeichnet durch die Persistenz des Ductus Botalli. Die Stenose ist typischerweise proximal des Ductus arteriosus lokalisiert; konsekutiv pumpt das Herz gegen einen Widerstand an, der durch die Gefäßlumeneinengung verursacht wird. Da bei dieser Form nur spärlich Kollaterale existieren, entwickelt sich im Krankheitsverlauf eine Herzinsuffizienz mit konsekutiver pulmonaler Stauung.

748 Schematische Darstellung der präduktalen Aortenisthmusstenose

II: Adulte Form: (= postduktal)

→ 1) Bei dieser mit 75% der Fälle, häufigeren Form hat die Stenose ihren Sitz zumeist distal des Ligamentum Botalli (= obliterierter Ductus arteriosus). Charakteristikum ist, dass eine Kompensation des arteriellen Blutflusses infolge von ausreichenden Kollateralkreisläufen besteht.

→ 2) Es gibt 3 wichtige Kollateralkreisläufe, die die obere mit der unteren Körperhälfte verbinden (sie werden insbesondere aus der A subclavia gespeist).

→ A) Anteriores System: A. thoracica int. und lat. über die A. epigastrica superficialis in die A. Iliaca.

→ B) Posteriores System: Der Truncus costocervicalis über die A. subscapularis und die Rete scapulae in die Aa. intercostales und schließlich zur Aorta distal der Stenose und

→ C) Laterales System: A.thoracica int. et lat. über die Aa. intercostales in die Aorta distal der Stenose.

749 Schematische Darstellung der postduktalen Aortenisthmusstenose

 

Klinisch-relevant: Die Aortenisthmusstenose ist häufig mit weiteren Erkrankungen vergesellschaftet; hierzu zählen: 

→ A) Biskuspidale Aortenklappe (> 80%),

→ B) Ventrikelseptumdefekt,

→ C) Mitralklappenanomalien,

→ D) Intrakranielle Aneurysmen im Bereich des Circulus Willisii, aber auch mit

→ E) Syndromen wie die Neurofibromatose oder das Turner-Syndrom.

 

Klinik:

→ I: Die adulte Aortenisthmusstenose macht lange Zeit nur geringe klinische Symptome.

→ II: Leitsymptome sind u.a.:

→ 1) Arterielle Hypertonie an den oberen Extremitäten (selten bei der präduktalen Form vor Abgang der A. subclavia sinistra nur einseitig).

→ 2) Kopfschmerzen bzw. ein Klopfen im Kopf, Schwindel, Tinnitus evtl. Epitaxis.

→ 3) Arterielle Hypotonie der unteren Körperhälfte mit abgeschwächtem Puls, kalten Füßen, evtl. Muskelschwäche der Beine und möglicher Claudicatio intermittens.

→ III: Schwerwiegende klinische Spätsymptome sind vor allem:

→ 1) Linksherzinsuffizienz mit Dyspnoe bis hin zum Linksherzversagen und

→ 2) Lungenstauung mit möglicher Entwicklung eines Lungenödems.

535 Klinische Leitsymptome der Aortenisthmusstenose

 

→ Komplikationen: Schwerwiegende Komplikationen aufgrund später/fehlender Intervention sind vor allem:

→ I: Kardiovaskulär: Bakterielle Endokarditis, koronare Herzerkrankung, Aortenruptur, Linksherzversagen.

→ II: Intrakranielle Blutungen infolge zerebraler Aneurysmen.

 

Diagnose:

→ I: Anamnese/klinische Untersuchung:

→ 1) Bei der Inspektion zeigt sich im Bereich der Karotiden und der Fossa jugularis häufig eine kräftige springende Pulsation. Zudem

→ 2) Palpatorisch ist an den oberen Extremitäten ein starker Puls mit hoher Pulsdruckamplitude, an den unteren ein schwacher Fußpuls eruierbar. Evtl. tastbare Kollateralkreiläufe interkostal am Rücken bzw. an der lateralen Thoraxwand.

→ 3) Blutdruckmessung: An beiden Armen, da in sehr seltenen Fällen die Stenose vor dem Abgang der A. subclavia sinistra bestehen kann.

 

Klinisch-relevant: Ist die Blutdruckdifferenz nicht eindeutig (< 20mmHg) sollte sie nach Belastung z.B. Kniebeugen nochmals wiederholt werden.

 

4) Auskultation:

→ A) Nachweis eines spindelförmigen, z.T. den 2.HT überdauernden Systolikums mit punctum maximum im 3.-4. Interkostalraum parasternal links und zwischen den Schulterblättern.

B) Ejektions-Klick: Der frühsystolische Ejektions-Klick ist insbesondere bei gleichzeitig bestehender bikuspidaler Aortenklappe (80% der Fälle) nachweisbar.

→ C) Evtl. diastolisches Decrecendogeräusch als Zeichen einer Aortenklappeninsuffizienz bei bikuspidaler Aortenklappe. 

747 Auskulationsbefund bei der Aortenisthmusstenose

→ 5) EKG: Zeichen einer Linksherzhypertrophie mit:

→ A) Linkstyp bis überdrehter Linkstyp,

→ B) Einem Sokolow-Index Summe: S (V1/V2) + R (V5/V6) > 3,5mV.

C) Insbesondere bei älteren Patienten kann sich ein Linksschenkelblock (EKG-Befund: Schenkelblock allgemein) oder auch ein Vorhofflimmern ausbilden.

II: Bildgebende Untersuchungen:

→ 1) Röntgen Thorax: (Abb.: Projektionen der Herz- und Gefäßkonturen im Röntgen-Thorax)

→ A) Mit Nachweis eines 3-Zeichens (= Epsilon-Zeichen) im Bereich des Aortenknopfes; hierbei bildet die A. subclavia sinistra den oberen Anteil der 3, die poststenotisch dilatierte Aorta den unteren – der 3.

→ B) Entwicklung von Usuren am Unterrand der Rippen als Folge der Kollateralkreisläufe.

C) Evtl. zeigt sich ein vergrößerter Herz-Thorax-Quotient im weiteren Krankheitsverlauf.

2) Echokardiographie: Mit Darstellung der Lokalisation und des Ausmaßes der Isthmusstenose, sowie einer Linksherzhypertrophie und einer möglichen bikuspidalen Aortenklappe.

→ 3) CT/MRT: Zur Illustration der Aorta, des Blutflusses und Druckgradienten.

→ 4) Herzkatheter: Auch diese Untersuchung dient der exakten Darstellung der Aorta, Isthmusstenose, aber auch der Bestimmung des Druckgradienten (ein intravasaler Peak-to-Peak-Gradient > 20 mmHg ist signifikant). Zudem können kardiale Anomalien wie Aortenklappeninsuffizienz-stenose, die Ventrikelfunktion, Veränderungen der Koronargefäße (KHK) eruiert werden. Ggf. ist eine interventionelle Therapie mittels Ballondilatation und anschließender Stentimplantation indiziert.

 

Differenzialdiagnose: Von der Aortenisthmusstenose müssen nachfolgende Erkrankungen abgegrenzt werden:

→ I: Arterielle Hypertonie anderer Genese wie z.B. bei Morbus Addison, Morbus ConnPhäochromozytom, Hyperthyreose, renovaskulär, etc.

→ II: Mitralklappenprolaps bei arterieller Hypertonie

III: Hypertrophe nicht-obstruktive CM, etc.

 

Therapie:

→ I: Allgemein: Eine Behandlungsindikation besteht immer, wenn:

→ 1) Der RR-Gradient zwischen oberen und unteren Extremitäten > 20mmHg,

→ 2) Eine arterielle Hypertonie > 140/90mmHg bzw. eine Linksherzhypertrophie nachweisbar ist, aber auch bei

→ 3) Aortenklappeninsuffizienz und

→ 4) Aneurysma der Aorta ascendens > 50mm Durchmesser.

→ II: Operative Therapie:

→ 1) Sie sollte frühzeitig nach der Diagnosestellung erfolgen, da insbesondere im höheren Lebensalter das Letalitätsrisiko aufgrund von Folgeschädigungen wie Aortenwandläsion, KHK, sekundäre Organschädigungen infolge einer persistierenden arteriellen Hypertonie steigt.

→ 2) Operative Interventionsoptionen: Sind u.a.:

→ A) Resektion der kurzstreckigen Stenose nach ausreichender Mobilisation der Aorta und nachfolgender spannungsfreier End-zu-End-Anastomose; dies ist meist nur im Kindesalter möglich.

→ B) Bei Erwachsenen ist zumeist eine Resektion mit Implantation eines Gefäßinterponats (Draconprothese).

 → C) Weitere operative Verfahren: Sind Erweiterungsplastik, Anlage eines Prothesenbypasses etc.

→ III: Interventionelle Therapie: Die Ballonangioplastie mit konsekutiver Einlage eines Stents hat sich heutzutage bei der isolierten Aortenisthmusstenose (und geeigneter Anatomie) zur Therapie der 1. Wahl sowohl im Kindes- als auch im Erwachsenenalter etabliert.

→ IV: Medikamentöse Therapie: Sie umfasst die Endokarditisprophylaxe und eine möglich persistierende arterielle Hypertonie. Sie wird u.a. mit Diuretika (z.B. Thiaziddiuretika, Schleifendiuretika, etc.), ACE-Hemmern oder Betablockern behandelt.

 

Postoperative Komplikationen: Hierzu gehören insbesondere:

→ I: Intraoperative ischämische Rückenmarksschädigung mit Entwicklung einer Paraplegie.

→ II: Unvollständige Beseitigung der Isthmusstenose (= Reststenose).

→ III: Postoperativ kann es zur Ausbildung einer Restenose kommen bzw. sich bei der Einlage eines Kunstpatches ein Aneurysma der Aorta ascendens und/oder descendens entwickeln.

 

Prognose:

→ I: Wird die Operation im Kleinkindesalter vorgenommen ist sie nahezu normal.

→ II: Erfolgt die Behandlung jedoch erst im Erwachsenenalter ist die Prognose insbesondere von den Folgeschädigungen abhängig.