Definition: Beim Sulcus ulnaris Syndrom handelt es sich um ein Nervenkompressionssyndrom im Bereich des Ellenbogens, im sogenannten Sulcus ulnaris des Epicondylus humeri medialis. Charakteristischerweise kommt es zu sensiblen und insbesondere motorischen Ausfällen im Versorgungsgebiet des Nerven.

 

Epidemiologie: Die Inzidenz für das Sulcus ulnaris Syndrom liegt bei 24/100000 und stellt somit nach dem Karpaltunnelsyndrom das 2. häufigste Kompressionssyndrom eines peripheren Nerven (= Mononeuropathie) dar; es betrifft vorwiegend Männer (aber auch schlanke Frauen).

 

Anatomie: Der N. ulnaris erhält über den Fasciculus medialis Fasern aus den Segmenten C8-TH1. Am Oberarm verläuft er initial im Sulcus bicipitalis medialis und erreicht dann den auf der Dorsalseite gelegenen Sulcus ulnaris (hier ist er sehr exponiert = Musikantenknochen). Kurz nach dem Ellenbogen zieht er wieder auf die Beugeseite des Unterarms und versorgt die Flexoren des UA und der Hand, die Hypothenarmuskulatur, einige Muskeln des Thenars sowie die kleinen Handmuskeln (Mm. lumbricales III/IV, alle Mm. interossei).

 

 Ätiologie: Zur Entwicklung des Sulcus-ulnaris-Syndroms werden repetitive Mikrotraumatisierungen durch Druckeinwirkung von Außen angenommen; hierzu zählen insbesondere: 

→ I: Kompression von Außen,

→ II: Lagerungsschäden (z.B. Bettlägerigkeit, Narkose, etc.), 

→ III: Cubitus valgus,

→ IV: Sulcusnahe Frakturen und Traumata,

→ V: Arthropathien des Ellenbogengelenkes

→ VI: Narbengewebe etc.

 

Klinik: Das Syndrom entwickelt sich zumeist langsam progredient, wobei insbesondere motorische Ausfälle im Vordergrund stehen.

→ I: Sensibilitätsstörungen: Parästhesien und Schmerzen an der Ulnarseite der Hand, später auch sensible Ausfälle an der Volarseite von Ring- und Kleinfinger; aber auch Druckschmerzhaftigkeit am Epicondylus medialis humeri.

II: Schwächung des Faustschlusses durch den M. flexor digitorum profundus (insbesondere auch die Beugung im Endgelenk des Kleinfingers).

III: Schwächung in der Fingerspreizung (M. interossei).

IV: Bei längerem Krankheitverlauf Ausbildung einer sogenannten Krallhand mit Hyperextension der Fingergrundgelenke (durch Ausfall der Mm. interossei und Mm. lumbricalies III und IV sowie Überwiegen des M. extensor digitorum) bei Streckdefizit (Beugung) der Fingermittel- und -endgelenke (Überwiegen des M. flexor digitorum superficialis).

V: Durch die Atrophie der keinen Fingermuskeln kommt es zu muldenförmigen Einziehung zwischen den Mittelhandknochen.

 

Diagnose:

→ I: Klinische Untersuchung:

→ 1) Evtl. ist der luxierbare Nervus ulnaris tastbar bei passiver Armbeugung.

→ 2) Hoffmann-Tinel-Zeichen: (evtl. positiv) Durch Beklopfen des Nerven im Sulcus ulnaris kommt zur elektrisierenden Ausstrahlung in den kleinen Finger.

→ 3) Froment-Zeichen: (positiv) Beim festen Greifen eines Blattes Papier wird die mangelnde Daumenadduktion durch Flexion des Daumenendgelenkes kompensiert.

→ 4) Bei der Messung der Nervenleitgeschwindigkeit über dem Sulcus ulnaris zeigt sich eine signifikante Verlangsamung. Auch im EMG werden Zeichen einer Schädigung im M. flexor carpi ulnaris, M. flexor digitorum profundus sowie der distalen, Ulnaris-versorgten Muskulatur sichtbar.

→ II: Röntgen: a.p. und seitlich und tangential; evtl. Sulcus-ulnaris-Aufnahme zum Nachweis knöcherner Irritationen.

→ III: CT/MRT: Im Zweifelsfall.

 

  Therapie:

→ I: Konservative Therapie:

→ 1) Meiden auslösender Bewegungen sowie keine permanente Flexion im Ellenbogengelenk.

→ 2) Lagerungsschiene in Mittelstellung des Ellenbogens, sowie Gabe von NSAR und Vitamin B6.

II: Operative Therapie: Insbesondere bei therapieresistenten Fällen oder neurologischen Ausfällen. Hierbei erfolgt auf der ulnaren Ellenbogenseite ein ca. 8cm langer Längsschnitt. Darstellung des N. ulnaris. Bei mechanischer Irritation kann der knöcherne Sulcus geglättet und erweitert werden. Evtl. Verlagerung des N. ulnaris nach ventral (intra- oder submuskulär) beim Herausgleiten des Nerven aus der Rinne.

 → III: Postoperativ: 3-5 tägige Gipsschiene in 90° Flexion des Ellenbogen, frühzeitige Physiotherapie.

Prognose: In einzelnen Fällen kann es zu einem Rezidiv kommen.