Morbus Crohn / Ileitis terminalis
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- Hauptkategorie: Gastroenterologie
- Kategorie: Dickdarm
- Zuletzt aktualisiert am Dienstag, 05. Januar 2021 18:17
- Veröffentlicht am Samstag, 22. August 2015 11:01
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→ Definition: Beim Morbus Crohn handelt es sich um eine diskontinuierliche, segmental auftretende, transmurale und granulomatöseEntzündung des gesamten Gastrointestinal-Traktes, der bevorzugt im Bereich des terminalen Ileums und proximalen Kolons auftritt.
→ Epidemiologie: Es bestehen zwei Manifestationsgipfel, zum einen in der jungen Adoleszenz zwischen dem 20.-40. Lebensjahr, zum anderen um das 60. Lebensjahr. Frauen sind genauso häufig wie Männer betroffen. Die Inzidenz liegt in der Gesamtbevölkerung bei 5-15/100000/Jahr.
→ Ätiologie:
→ I: Die Ätiologie ist bis heute nicht genau bekannt. Man geht von einer multifaktoriellen Geschehen mit einem besonderen Augenmerk auf genetische - und Umweltfaktoren (Rauchen, Einnahme von NSAR, etc) sowie bakterielle bzw. virale Infektionen aus.
→ II: NOD-2 Genmutation: Heterozygote haben ein 2-3 fach erhöhtes Risiko, Homozygote ein 17-fach erhöhtes Risiko an Morbus Crohn zu erkranken.
→ Pathologie:
→ I: Makroskopie:
→ 1) Diskontinuierliche, segmentale und transmurale Entzündung des gesamten GIT von der Mundhöhle bis zum Anus, mit bevorzugter Lokalisation im Bereich des terminalen Ileums und distaler Ausbreitung. Dazwischenliegende unauffällige Darmsegmente werden als "Skip-lesions" bezeichnet.
→ 2) Initial imponiert der Morbus Crohn durch diffuse aphthöse Schleimhautdefekte.
→ 3) Im Anschluss ödematöse, im weiteren Krankheitsverlauf fibrotische Verdickung der Darmwand mit Ausbildungen von Stenosen.
→ 4) Pflastersteinrelief (= cobble-stone-plattern) verursacht durch das gleichzeitige Auftreten von Ulzerationen und ödematös vorgewölbten Schleimhautarealen.
→ 5) Gänsehaut-Aussehen, aufgrund einer lympho-follikulären Hyperplasie.
→ II: Mikroskopie:
→ 1) Diskontinuierliche Entzündung, Wandödem sowie Infiltrationen durch Lymphozyten, Makrophagen und Monozyten.
→ 2) Epitheloidzellgranulome mit mehrkernigen Riesenzellen.
→ 3) Hyperplasie der Lymphknoten und Lymphangiektasien.
→ 4) Da alle Wandschichten betroffen sind, kommt es neben Fissuren und Ulzerationen durch Vernarbungs- und Schrumpfungsprozesse zu Strikturen-, Stenosen- und Fistelbildungen;
→ Klinik:
→ I: Allgemein: Die Symptome sind stark abhängig von der Lokalisation, der Beginn ist meist schleichend mit:
→ II: Uncharakteristischen z.T. koligartige Abdominalschmerzen, meist im rechten Unterbauch (abhängig von der Lokalisation)
→ III: Meist unblutige Diarrhoe (Blutauflagerungen bei Rektumbefall).
→ IV: Weitere Symptome: Sind u.a. Flatulenz, tastbare Resistenzen, subfibrile Temperaturen und Gewichtsverlust. Nicht selten wird der Morbus Crohn aufgrund der ähnlichen Symptomatik mit einer akuten Appendizitis verwechselt.
→ Komplikationen: Extraintestinale Symptome manifestieren sich beim Morbus Crohn häufiger als bei der Colitis ulcerosa:
→ I: Charakteristisch für den Morbus Crohn sind Fistelbildungen (in andere Organe wie Harnblase, Vagina, Haut), intraabdominelle Abszesse (intra-/extraperitoneal), Stenosen und Strikturen.
→ II: Gelenke: Arthritis, ankylierende Spondylitis (z.T. HLA-B-27 positiv).
→ III: Haut: Erythema nodosum, Aphten, Pyoderma gangraenosum, Zinkmangeldermatose (Akrodermatitis enteropathica).
→ IV: Auge: Uveitis, Iritis, Episkleritis.
→ V: Anorektale Abszesse und perianale Fistelbildungen sind häufig die ersten Symptome eines Morbus Crohn.
→ VI: Malabsorptions-Syndrom: Meist nach ausgiebiger Ileumresektion bzw. Ileumbefall mit Vitamin B12 Mangel (megaloblastärer Anämie) und Gallensäureverlust-Syndrom (chologene Diarrhoe und erhöhtes Risiko für die Ausbildung von Cholesteringallensteinen und Oxalatnierensteinen).
→ VII: Ausbildung von Leberabszessen und Darmstenosen mit dem klinischen Bild eines Sub-/Ileus, selten Perforationen.
→ VIII: Spätkomplikationen: Eine schwerwiegende Spätkomplikation ist das kolorektale Karzinom; das Risiko beim Morbus Crohn ist zwar deutlich geringer als bei der Colitis ulcerosa, steigt jedoch mit dem Ausmaß des Kolonbefalls an.
→ IX: Krankheitsverlauf: Der Morbus Crohn verläuft typischerweise fast ausschließlich in Schüben. Die Rezidivrate im ersten Jahr liegt bei 30%, im zweiten Jahr schon bei 70%.
→ Klassifikation: Es existieren verschiedene Klassifikationen:
→ I: Montreal-Klassifikation: Beinhaltet insbesondere 3 klinische Parameter und dient der Beurteilung des Krankheitsverlaufs und Prognose:
→ II: Klassifikation: Nach der Krankheitsaktivität des Morbus Crohn, die anhand des CDAI (= Crohn-disease-activity-index) bestimmt wird.
→ 1) Hierzu werden klinische und laborchemische Parameter wie Anzahl der Stühle, Grad der Abdominalschmerzen, Gelenkschmerzen, Arthritis, Erythema nodosum, Stomatitis aphtosa, intraabdominelle Abszesse, Fistelbildungen, perianale Fisteln, subfibrile Temperatur, Körpergewicht, Hämatokrit, etc. hinzugezogen.
→ 2) Auswertung: CDAI-Werte über 150 Punkte weisen auf einen akuten, behandlungsbedürftigen Schub hin, während CDAI-Werte unter 150 Punkte für eine Remission des Morbus Crohn sprechen.
→ Diagnose:
→ I: Palpation: Meist im rechten Unterbauch Nachweis einer schmerzhaften Resistenz.
→ II: Digital-rektal: Nachweis von Fissuren und perianalen Fisteln.
→ III: Stuhluntersuchung: Zum Ausschluss von bakteriellen Darmentzündungen wie bei Campylobacter-, Claustridium difficile-Infektion, (z.B. pseudomembranöse Kolitis), Listeriose, etc.
→ IV: Labor:
→ 1) Erhöhung der Entzündungsparameter wie Leukozytose, CRP-, BSG und Fibrinogen.
→ 2) Störungen des Eiweißstoffwechsels mit Erniedrigung des Albumins.
→ 3) Anämie: Meist aufgrund eines Eisenmangels, evtl. auch aufgrund eines Vitamin B12 und Folsäure-Mangels (megaloblastär).
→ 4) Serologie: Beim Morbus Crohn ist häufig ASCA (= Anti-Saccharomyces-Cerevisiae-Antikörper).
→ IV: Apparative Untersuchung:
→ 1) Ileokoloskopie mit Biopsie: Charakteristischerweise zeigt sich der Morbus Crohn als eine diskontunierliche Darmentzündung mit wechselnden gesunden Abschnitten (= skip-lesions). Zudem sind scharf-begrenzte, Landkarten-ähnliche oder unregelmäßig-verlaufende, längliche Ulzerationen (= snail-trails) nachweisbar. Des Weiteren lassen sich aphtoide Ulzerationen, das Pflastersteinrelief (= cobble-stone-plattern), Strikturen und nicht zuletzt kleinste hämorrhagische Läsionen (= pin-point-lesions) manifestieren.
→ Klinisch-relevant:
→ A) Ist die Diagnose eines Morbus Crohn gestellt, muss der gesamte GIT nach weiteren Manifestationsorten abgesucht werden.
→ B) Es sollte auch immer eine Biopsie aus intraabdominellen Abszessen und Fisteln genommen werden.
→ C) Bei Dünndarmbefall wird eine Singelballon- oder Doppelballonenteroskopie empfohlen.
→ 2) MRT nach Sellink: (Orale Gabe von 2,5% iger Mannitol-Lösung). Mittel der 1.Wahl. Gute Darstellung der verdickten Darmwand und der vergrößerten Lymphknoten. Keine Strahlenbelastung
→ 3) Röntgen nach Sellink: (Orale Gabe eines Kontrastmittels). Mittel der 2. Wahl. Gute Darstellung des Pflastersteinreliefs und der fadenförmigen Stenosen (string-sign). Hohe Strahlenbelastung.
→ 4) Sonographie: Dient gerade der Verlaufskontrolle eines Morbus Crohn. Im Vordergrund steht die Darstellung der Ausdehnung des Entzündungsprozesses und der Darmwanddicke (Dickdarm < 4mm, Dünndarm < 2mm). Des Weiteren Nachweis von Abzessen und Fisteln sowie der Befall anderer Organe wie z.B. die primär-sklerosierende-Cholangitis. Eventuell Dokumentation von sogenannten "Kokardenzeichen" (= Zwiebelscheibenphänomen: Zeigt die zwiebelscheibenartige Mehrschichtigkeit der ödematös verdickten Darmwand auf).
→ Differnzialdiagnose: Vom Morbus Crohn müssen folgende Erkrankungen abgegrenzt werden:
→ I: Colitis ulcerosa; sowie weitere entzündliche Darmerkrankungen wie z.B. mikroskopische Kolitis, ischämische Kolitis, pseudomembranöse Kolitis, Diversionskolitis, etc.
→ II: Colon irritabile sowie die akute Appendizitis;
→ III: Divertikulitis,
→ IV: Darmtuberkulose;
→ V: Akute Ileitis aufgrund einer Infektion mit Yersinia enterocolitica oder Campylobacter jejuni, Listeria monocytogenes, etc.
→ Therapie:
→ I: Supportive Therapie:
→ 1) Es gibt keine spezifische Crohn-Diät, jedoch sollten unverträgliche Speisen vermieden werden.
→ 2) Bei Laktoseintoleranz erfolgt eine laktosearme bzw. -freie Diät.
→ 3) Bei Malabsorption mit Mangelerscheinungen erfolgt eine Substitution von Flüssigkeit, Elektrolyten, Eiweiß, Mineralien und Vitaminen.
→ 4) Während des akuten Schubes muss evtl. eine ballaststofffreie oder parenterale Ernährung erfolgen.
→ 5) Chologener Diarrhoe: Gabe von Colestyramin zur Bildung von Gallensäure.
→ II: Medikamentös: Beim Morbus Crohn richtet sich die medikamentöse Therapie und die Applikationsform (topisch z.B. Schaum, Klysma oder systemisch) nach dem Schweregrad, dem Krankheitsverlauf und der Lokalisation.
→ III: Stufentherapie:
→ 1) Aminosalizylate; wie Mesalazin (5-ASA), Sulfasalazin, Olsalazin.
→ 2) Kortikosteroide; (topisch wie z.B. Budesonid, Budenofalk, Enterocort).
→ Klinisch-relevant:
→ A) Die topischen Glukokortikoide haben nur eine geringfügig schwächere Wirkung als die systemischen Präparate.
→ B) 1/3-Regel der Kortikosteroidtherapie: 1/3 der Patienten zeigen unter der Kortikosteroidtherapie eine Remission. 1/3 der Patienten sind Kortikosteroid-abhängig. Bei diesen Patienten muss eine Dosierung von > 20mg/d über einen längeren Zeitraum appliziert werden; eine Dosisreduktion führt zu einem Rückfall und 1/3 der Patienten weisen einen kortikoid-refraktären Morbus Crohn auf.
→ 3) Immunsuppressiva (z.B. Azathioprin, 6-Mercaptopurin, Methotrexat).
→ 4) Biologicals (z.B. Infliximab).
→ Klinisch-relevant:
→ A) Akuter Schub: Mit typischer Symptomatik wie Abdominalschmerzen, unblutiger Diarrhoe, Leukozytose, CRP/BSG-Erhöhung. Die Therapie im:
→ 1) Leichten/mäßigen Schub: Gabe von 5-ASA oral, bei vorwiegend iliozäkalem Befall Budesonid.
→ 2) Schwerer Schub: Prednisolon systemisch, bei häufigen Schüben zusätzlich Azathioprin oder Methotrexat.
→ B) Chronisch-aktiver Morbus Crohn: Persistierende oder rezidivierende Symptomatik über mindestens 6 Monate nach Remission. Die Therapie umfasst:
→ 1) Azathioprin oder 6-Mercaptopurin über einen längeren Zeitraum.
→ 2) Als Reservemittel können TNF-Antikörper gegeben werden.
→ C) Remissionstherapie: Remission der klinischen Symptome wie Diarrhoe, Abdominalschmerzen usw. mittels Azathioprin oder 6-Mercaptopurin über mindestens 4 Jahre.
→ D) Interventionelle Endoskopie: Mit Ballondilatation bei stenosierten Darmabschnitten.
→ E) Chirurgische Therapie: Nach der Entzündungsaktivität unterscheidet man nachfolgende Indikationen:
→ 1) Akut: Abszesse, Ileus, Perforation, Peritonitis.
→ 2) Elektiv: Rezidivierende Fistelbildungen, Subileus.
→ 3) OP-Technik: Immer darmerhaltende und sparsame Resektion mit End-zu-End-Anastomose. Da es keine Heilung gibt, sollte die Op immer zurückhaltend gestellt werden.
→ 4) OP-Komplikationen: Fistelbildungen, Obstruktionen, Blutungen, Nahtinsuffizienz, etc.
→ Prognose:
→ I: In der Regel weist der Morbus Crohn ein hohes Rezidivrisiko auf.
→ II: Komplikationen führen meist innerhalb von 15 Jahren zu einer Operation,
→ III: Aufgrund des erhöhten Risikos für die Ausbildung eines kolorektalen Karzinoms sind jährliche endoskopische Kontrollen indiziert.
→ IV: Bei optimaler Therapie ist die Lebenserwartung nahezu normal. Prognostisch ungünstige Faktoren sind insbesondere:
→ 1) Früher Krankheitsbeginn,
→ 2) Perianaler Befall von Anfang an,
→ 3) Schwerer erster Schub mit Gewichtsverlust > 5%.