Gastrinom / Zollinger-Ellison-Syndrom
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- Hauptkategorie: Innere Medizin
- Kategorie: Endokrinologie
- Zuletzt aktualisiert am Donnerstag, 31. Dezember 2020 14:20
- Veröffentlicht am Samstag, 16. Dezember 2017 09:17
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→ Definition: Das Gastrinom wird auch als Zollinger-Ellison-Syndrom bezeichnet. Hierbei handelt es sich um eine neuroendokrine Neoplasie des Gastrointestinal-Traktes mit vermehrter Gastrinproduktion und konsekutivem Auftreten von peptischen Ulzera.
→ Epidemiologie:
→ I: Das Gastrinom stellt eine sehr seltene Erkrankung dar; ist jedoch der 2. häufigste endokrine Tumor des Gastrointestinaltraktes.
→ II: In 75% der Fälle tritt es sporadisch auf, in 25% im Rahmen eines MEN-I-Syndroms.
→ III: Der Manifestationsgipfel liegt zwischen dem 20.-50. Lebensjahr.
→ Klinisch-relevant: In 60-70% der Fälle ist das Gastrinom maligne. In 50% findet man zum Zeitpunkt der Diagnosestellung schon Metastasen (metastasiert frühzeitig in regionäre Lymphknoten; anschließend auch in die Leber, Milz und Knochen).
→ Pathogenese: Durch eine stark vermehrte Produktion und Sekretion von Gastrin und dessen molekularen Vorstufen (= Progastrine) kommt es zur vermehrten Bildung von Magensäure (HCL). Dies wiederum induziert die Entwicklung von multiplen, gerade atypisch lokalisierten Ulzerationen im Bereich des oberen GIT. Die überwiegende Lokalisationen des Gastrinoms sind:
→ I: Pankreas (in bis zu 75% der Fälle)
→ II: Duodenalwand (in bis zu 20% der Fälle),
→ III: Seltener im:
→ 1) Antrum (Magen).
→ 2) Ligamentum hepatoduodenale.
→ 3) Kann aber auch multizentrisch lokalisiert ein (v.a. bei MEN-I).
→ Klinik:
→ I: Refluxösophagitis sowie therapieresistente, rezidivierende, atypisch lokalisierte Ulzerationen (u.a. Ulcus ventriculi/-duodeni) im Bereich des Ösophagus, der großen Kurvatur des Magens, postbulbär oder im Jejunum aufgrund der exzessiven Gastrinproduktion (HCL).
→ II: In 50 % weisen die Patienten wässrige Diarrhoe, evtl. mit Steatorrhoe (durch irreversible Inaktivierung der Lipasen durch Magensäure) auf. Ursache ist eine säurebedingte Inaktivierung der Pankreasenzyme und eine massive Schädigung der Dünndarmschleimhaut.
→ III: Entwicklung eines Vitamin-B12-Mangels.
→ IV: Weitere Symptome: Können u.a. epigastrisches Brennen und Retrosternalschmerzen, aber auch Übelkeit und Erbrechen sein.
→ Diagnose:
→ I: Bestimmung von Gastrin basal (Nüchternwert):
→ 1) Ist die Gastrin-Konzentration >1000ng/l ist ein Gastrinom bewiesen; gleichzeitig besteht eine Hyperchlorhydrie des Magensaftes. Konzentrationen <100pg/ml schließen ein Gastrinom aus.
→ 2) Bei Gastrin-Konzentrationen dazwischen ist ein Sekretin-Test indiziert, da eine atrophe Gastritis oder eine bestehende PPI-Therapie auch zu erhöhten Konzentrationen führen kann (hierbei sollten die Protonenpumpen-Hemmer 2 Wochen vorher abgesetzt werden, ansonsten besteht die Gefahr von falsch positiven Werten).
→ II: Sekretintest: Nach Gabe von Sekretin erfolgt die Gastrinbestimmung zum Zeitpunkt 0, nach 5, 15 und 30 Minuten. Ein Anstieg von Gastrin von mehr als 100% (> 200pg/ml) ist im Gegensatz zu einer Hypergastrinämie anderer Genese wegweisend.
→ III: Lokalisationsdiagnostik: Sonographie, Endoskopie, Endosonographie, One-stop-shop-MRT (mit MRCP und Angio-MRT), Somatostatin-Rezeptor-Szintigraphie, PET-CT.
→ IV: Bei Gastrinomen im Rahmen einer MEN-I ist die gezielte Suche nach weiteren endokrinen von großer Bedeutung (u.a. Hyperplasie und Tumoren der Nebenschilddrüsen z.B. primärer Hyperparathyreoidismus, Inselzellen und/oder Hypophyse)
→ Differenzialdiagnose: Andere Ursachen für eine Hypergrastrinämie (< 500ng/l):
→ I: Reaktive Hypergastrinämie bei dauerhafter Einnahme von Protonenpumpen-Hemmern und H2-Blockern.
→ II: Chronisch-atrophische Gastritis bzw. chronische HP-Gastritis.
→ III: Magenausgangsstenose, Magenresektion.
→ Therapie:
→ I: Eine operative kurative Zielsetzung durch Resektion ist zumeist nur bei Fehlen von Metastasen möglich (in 30% der Fälle).
→ II: Bei metastasiertem Gastrinom ist das Mittel der 1. Wahl die Gabe eines Somatostatin-Analoga wie Octreotid.
→ III: Symptomatisch ist die hochdosierte Gabe von PPI (3-6-facheStandarddosis) indiziert. Innerhalb von 4 Wochen führt die medikamentöse Säure-Unterdrückung in bis zu 90% zur Besserung der klinischen Symptomatik und Abheilung der Ulzerationen.
→ IV: Lebermetastasen: Lokale Metastasenzerstörung durch Gabe von 5-Fluorouracil + Streptozotocin sowie eine Radionukleotidtherapie bei Somatostatin-exprimierenden Tumoren.
→ Prognose:
→ I: Die 10-Jahresüberlebensrate beträgt bei kurativer Zielsetzung durch radikale Resektion > 80%, nimmt jedoch bei bestehenden Lebermetastasen deutlich ab (die 5-Jahresüberlebensrate liegt > 50%, die 10-Jahresüberlebensrate bei 30%).
→ III: Duodenale - und MEN-I-Gastrinome haben eine günstigere Prognose als pankreatische.